Taste Nature – Wie die Dolomiten schmecken

Einen Text über etwas, das einfach anders ist als alles, was man bisher kulinarisch so gekannt hat, könnte man ja auch mal ganz anders beginnen! Vielleicht vom Ende her? Beginnen wir also beim Dessert: Mit seiner grasgrünen Farbe setzt es nicht nur einen farblichen Akzent zur Winterlandschaft draußen vor der Stube, sondern versetzt auch meinen Gaumen und meinen kulinarischen Horizont ins Staunen. Cheesecake, Wildkräuteressenz, Bubble Tea und über allem tonangebend die Brennnessel. Wer hätte gedacht, dass die Brennnessel in dieser kulinarischen Interpretation eine derartige Wucht sein kann!

Neue, eigene Wege gehen

Der Geburtstag war nicht der einzige Grund, warum ich meinen Bruder unbedingt in die Johannesstube in Welschnofen zum Abendessen einladen wollte, auch wenn ich mir sicher war, dass ich einen Genießer wie ihn damit sicher auf meiner Seite hätte. Für ihn, der selbst Bauer ist und seinen eigenen Bauernhof innovativ und nachhaltig bewirtschaftet, sollte dieses Abendessen auch ein Ein- und Ausblick sein, was Hof und Koch in der Lage sind zu leisten. Zumal alles, was wir heute aufgetischt bekommen, vom hauseigenen Bauern der Johannesstube bezogen wird. Aber bereits nach den Grüßen aus der Küche war einem Landwirtschafts-Laien wie mir klar, dass man nicht Küchenchef oder Landwirt sein muss, um zu verstehen, dass dieses Menü etwas ganz ganz Besonderes ist.

Vertrauen und Verständnis in jeder Rezeptur

Saiblingskaviar, Tanne, Hüftsteak vom Hirsch, geröstete Wurzeln, Gemüse aus dem Jahr 2017, Wacholderbeerenpulver – fast alle Zutaten, die uns heute als Kunstwerke auf dem Teller kredenzt wurden – von einem engagierten und eloquenten Kellner übrigens –, kommen tatsächlich aus einem Umkreis von wenigen Kilometern. Und selbst wenn dies bei manch importierter Ingredienz nicht möglich ist, denn eine Prise Zucker wächst eben nicht in den Dolomiten, dann kennt der Küchenchef seinen Lieferanten höchstpersönlich und schätzt dessen Qualitätspolitik.


Genuss ist in der Johannesstube somit auch eine ethische Frage – aber mit welcher Eleganz und Extraklasse die Moralkeule gar nicht erst aus dem Ofen geholt werden muss, beweisen die Kreationen des Küchenchefs. Seine Mission ist kompromisslos und alle Kompositionen haben ihren eigensinnigen Charakter – und gleichzeitig ist kein Gericht, das uns an diesem Abend in der Zirmstube serviert wird, aufdringlich. Wir sind geradezu verblüfft, wie vielseitig die Bergküche auch im Winter sein kann.

Kompromissloser Genuss

Die Weine zu den jeweiligen Hauptthemen wurden sorgfältigst ausgewählt und zu meinem ersten Erstaunen entpuppte sich die Weinauswahl als eine Kurzreise durch Europa: Spanien, Frankreich, Deutschland und natürlich Südtirol. Säuregehalt, Geschmacksnuancen, Duftnoten, Philosophie des Produktes – jedes Gericht benötigt seinen Wein und nach einem kurzen Gespräch mit dem Kellner konnte ich die Entscheidung, nicht nur regionale Weine zu servieren, sehr wohl nachvollziehen.

Die Kraft der Natur

Ob mich schlussendlich der Raviolo vom Brillenschaf aus dem Villnößtal mit Espresso vom Speck und Wildkräutern mehr begeistert hat oder das Poke Dolomites mit Filet vom Passeiersaibling, Artemisia, Forellenbrühe, Saiblingskaviar und Wildkräuter – das fällt wohl in die Rubrik „Qual der köstlichen Wahl”. Beeindruckt hat mich übrigens auch, dass es in unseren Breitengraden einen wilden Bergpfeffer gibt und dass ich davon noch nie etwas gehört hatte. Die Natur ist ein Wahnsinn und hier, im Hotel Engel, ist das für mich auch der Sternekoch und sein Hoflieferant.


Aus dem Abendessen wurde schlussendlich nicht nur ein Genussfest für Auge und Gaumen, sondern eine kulinarische Lehrreise: Auf welch hohem Niveau Berglandwirtschaft und regionale Wertschöpfung doch mitspielen können! Das erforderliche Know-how, die Hingabe und das Können, die erforderlich sind, um ein solches Degustationsmenü tafeln zu können, sind für mich enorm. Dafür ein großes Lob, denn was sich hier in den Bergen abspielt, ist gelebte Nachhaltigkeit und Esskultur von der edelsten Sorte. Chapeau!


So exzellent – das Fazit meines Bruders – habe er bis dato noch nie gespeist. Das Lob galt vor allem dem Koch, aber ein wenig habe auch ich mich darüber gefreut. Denn ein Geburtstagsgeschenk soll schließlich Freude machen und dies scheint mir im wahrsten Sinne gelungen zu sein.


Sie möchten auch einen unvergesslichen Abend in unserer gemütlichen Johannesstube verbringen? Reservieren Sie Ihren Tisch online oder unter 0471 613131 :)

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